Die Weißwurst gehört zu München wie das Oktoberfest, die Lederhose und das Bier. Kaum ein Erzeugnis ist tiefer in der bayerischen Kultur verwurzelt und symbolisiert so sehr bayerische Tradition und Lebensart. Mindestens einmal müssen die Schüler während er Klassenfahrt nach München die begehrte Wurstpezialität verkostet haben.
Geburt einer Legende im Ewigen Licht
Um die Münchner Weißwurst ranken sich Mythen und Märchen. Laut dem berühmten Münchner Kabarettisten Gerhard Polt ist die Weißwurst sogar das Alleinstellungsmerkmal Bayerns schlechthin. Verzehranweisungen und Qualitätsurteile gibt es so zahlreich wie Gipfel in den Alpen. Und die besten Weißwürste gibt es ohnehin nur beim lokalen Metzger um die Ecke. Es gibt aber auch Gelehrte jenseits des Weißwurstäquators, die behaupten, das gebrühte Erzeugnis im Darm habe als „boudin blanc“ seinen Ursprung im Frankreich des 14. Jahrhunderts. Fakt ist: Bereits vor vielen Jahrhunderten gab es in Frankreich Köche, die aus hellem Fleisch zarte Würste unter Zugabe von Rahm, Brät und feingestoßenem Eis zauberten – oft begleitet von süßen Beilagen wie gedünsteten Äpfeln oder Birnen. Angeblich brachte dann ein kleiner Korse und großer Feldherr mit seinen Mannen die Kunde von der hellen Wurst nach Bayern. Die süßen Obstbeilagen wurden dann kurzerhand von den etwas rustikaleren Bayern durch süßen Senf ersetzt.
Die ureigenste Münchner Geschichte der Weißwurst, so besagt es die Legende, begann jedoch an einem Rosenmontag im Jahr 1857. Im Münchner Gasthaus „Zum Ewigen Licht“ waren dem Wirt Sepp Moser die Schafsdärme für die traditionellen Kalbsbratwürstchen ausgegangen. Der eilends nach Ersatz entsandte Lehrling brachte jedoch Schweinedärme mit, die für die feinen Würstchen zu zäh waren. Der findige Wirt entschied sich dann kurzerhand, die Würste zu brühen statt zu braten – und eine kulinarische Legende war geboren. Die Geschichte der Weißwurst begann also, wie viele großartige Erfindungen, als ein Notbehelf.
Regeln und Rituale
Die Münchner Weißwurst wurde um 1968 als Gattungsbezeichnung in die Leitsätze für Fleisch und Fleischerzeugnisse des deutschen Lebensmittelbuchs aufgenommen. Dieses regelt den redlichen Hersteller- und Handelsbrauch der dort gelisteten Erzeugnisse. Die allgemeine Verkehrsauffassung für die „Münchner Weißwurst“ wird darin wie folgt beschrieben: Als Ausgangsmaterial sind außer Speck und zusätzlichem Bindegewebe Jungrindfleisch, Kalb- und auch Schweinefleisch vorgesehen. Eine Herstellung nur aus Schweinefleisch ist also durchaus gestattet. Ein Sonderfall ist die „Original Münchner Weißwurst“, die nicht ohne Kalbfleisch hergestellt werden darf. Bei diesen zwingend in München herzustellenden Weißwürsten gilt die im Amtsblatt der Stadt München von 1972 genannte Forderung, dass der Fleischanteil überwiegend aus Kalbfleisch bestehen muss. Ganz allgemein wird für die traditionelle Münchner Weißwurst eine Verarbeitung von mindestens 51 % Kalbfleisch angegeben. Als weitere Zutaten dürfen diverse Köstlichkeiten vom Schwein, gegartes Kalbskopffleisch, Gewürze und einige Geheimzutaten nicht fehlen.
Kleine „Schweinereien“ sind also erlaubt, aber die traditionelle Weißwurst ist in erster Linie ein köstliches Erzeugnis aus Kalbfleisch und Schweinerückenspeck. Und sie wird traditionell am Vormittag verspeist. Ein ungeschriebener Kodex sieht vor, dass die zu verzehrende Wurst keinesfalls mehr das Zwölfuhrläuten der Münchner Frauenkirche vernehmen darf.
Eine weitere unumstößliche Regel, die bis heute Bestand hat, besagt, dass man Weißwürste immer stückweise und niemals paarweise bestellt. Wer sich während der Klassenfahrt nach München nicht als nördlicher Weißwurstäquatorianer blamieren möchte, tut gut daran, sich an diese Regel zu halten. Zur Weißwurst gehört außerdem ausschließlich süßer Senf und als einzig wahres Gebäck natürlich eine Brezen. Für ältere Schulklassen darf es dann vielleicht auch das traditionelle Bier dazu sein.
Und auch wenn eine Weißwurstbrotzeit nicht unbedingt ein zweites Frühstück für das gute Gewissen ist – fettig, das viele Fleisch soll schlecht für Herz und Klima sein, die Weißmehl-Kohlenhydrate in der Brezen für die Figur – so ist es doch eine Mahlzeit, die aus purem Genuss besteht. Und Genuss wiederum soll durchaus gesund sein und während der Klassenfahrt nach München keinesfalls zu kurz kommen.
Guten Appetit!
Wo gibt es die besten Weißwürste in München?
Die wohl besten Weißwürste der Stadt gibt es in der Gaststätte Großmarkthalle. Ein Münchner Original in Sendling – schön und traditionell. Ab sieben Uhr werden hier die Köstlichkeiten von Metzger Ludwig Wallner samt Brezen und süßem Senf serviert. Die Gaststätte ist DIE Institution in Weißwurst im Speziellen und in Sachen Wurst im Allgemeinen. Und natürlich stammen die Würste aus der hauseigenen Produktion im Keller. Ein Pflichtbesuch während der Klassenfahrt nach München.
Im Wirtshaus am Bavariapark in unmittelbarer Nähe zur Theresienwiese kommt das ganze Jahr Wiesn-Stimmung auf. Mit Blick auf den Platz vor dem Münchner Verkehrsmuseum kann die Klasse hier die ganze Bandbreite bayerischer Wirtshausküche genießen. Hiert gibt es alles, was das hungrige Herz begehrt.
Im Wintergarten am Elisabethmarkt Weißwurst für einen Euro bestellen. Der Elisabethplatz gehört zu den schönsten Adressen in München. Und im Wintergarten direkt am Platz gibt es die allerfeinsten Weißwürste. Das Beste ist, wer vor 12 Uhr kommt, zahlt pro Wurst nur einen Euro. Natürlich gibt es auch später noch das bayerische Frühstück, dann allerdings zu einem höheren Preis. Denn eigentlich darf nach Mittag ja bekanntlich keine Weißwurst mehr verspeist werden.
Die Augustiner Bräustuben im Münchner Westen sind bei Studenten und Einheimischen gleichermaßen beliebt. Die Bräustuben bestechen mit typischem Münchner Brauhaus-Feeling und sehr moderaten Preisen. Perfekt für den schmalen Schüler-Geldbeutel vor. Von 10 bis 13 Uhr gibt es hier ein „bayerisches Frühstück“ für unglaubliche 3,00 Euro. Ein echter Geheimtipp, auch wenn die Weißwurst hier häufiger das Zwölfuhrläuten ertragen muss.
Zu guter Letzt darf natürlich das Hofbräuhaus zwischen alter Münchner Tradition und Touristen-Trubel nicht fehlen. Dank der oben genannten Regeln macht Weißwurstessen hier besonderen Spaß, wenn man mit gespieltem Mitleid den Touristen am Nebentisch zuschauen kann, wie sie Ketchup zur Weißwurst bestellen und überhaupt jedes Sakrileg begehen, das man sich vorstellen kann.
Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von YouTube. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.
Mehr Informationen